Geschäftsumgangsformen

Evelyne Marti

Angesehenes Mitglied
Hi zusammen

Ich hab manchmal so meine Mühe und Not mit den dürftigen Umgangsformen in der Geschäftswelt. Für mich sind Respekt, Höflichkeit, Gegenseitigkeit und ein freundliches Auftreten in Wort und Umgang selbstverständlich, ob nun privat oder geschäftlich. Das ist für mich eine innere Haltung gegenüber jedem Menschen, ungeachtet seiner Stellung.

Aber ich bin auch ein Dorfmensch. Als ich als Kind das erste Mal eine Stadt betrat, erklärte mir mein Vater, ich soll nicht jeden Vorbeikommenden grüßen, das tut man nicht.
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Mich würden die typischen geschäftlichen Gepflogenheiten interessieren.

Was ich bisher gelernt habe: keine Rückmeldung heißt > alles okay.

In einem ersten Brief wird man mit "sehr geehrt" angesprochen, in den weiteren mit "guten Tag", dann fällt die Signatur weg und im nächsten Schritt gibt´s keine Rückmeldungen mehr. Der Auftrag ist immer so eilig, dass er eigentlich schon am Vortag erledigt gehörte, so spät kommt er. Doch unsereiner soll dann schuld sein, wenn es nicht mehr für den Druck reicht, wie man auf einmal erfährt, also die Nächte durcharbeiten und Express-Versand, aber die Bezahlung der Rechnung wird erst bei Überfälligkeit in Betracht gezogen bzw. wenn man einen neuen Auftrag vergeben will.
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Hi Lynn,

auch ich lege großen Wert auf gepflegte Umgangsformen. Es gibt natürlich einige wenige Ausnahmen, wo man sofort mit "Du" angesprochen wird. Kann ich ehrlich gesagt nicht wirklich nachvollziehen, aber was solls.
Ich bitte immer meine Kunden, mir eine Rückmeldung zu geben, wenn sie die Texte erhalten haben und einen ersten Blick drauf geworfen haben. Bis jetzt bekam ich auch stets eine Rückmeldung, auch wenns nur ein "OK" war. Reicht doch auch, aber ICH weiß, die Texte sind angekommen (Die Lesebestätigung wird leider nicht immer an mich zurückgeschickt) und der Kunde ist zufrieden.

Nach längerer Zusammenarbeit biete ich meist von mir aus das "DU" an, und bisher bin ich damit auch gut gefahren. Was die Bezahlung angeht, ich hatte bisher 2 Kunden (in den letzten 3 Jahren), die etwas zögerlich bezahlt hatten. Davon war aber einer 4 Wochen im Krankenhaus nach einem Unfall (konnte also nix für). Vom anderen hab ich einfach keine Aufträge mehr angenommen.

Dringende Aufträge gibt es bei mir NUR gegen einen kleinen Aufschlag. Dies brauchte ich bisher aber noch nie in Rechnung zu stellen. In aller Regel werde ich erstmal gefragt, wann ich mit dem Auftrag fertig sein würde und ich bin dann auch ehrlich genug um zu sagen, dass es evtl. einige Tage (nicht selten auch mal 2-3 Wochen - je nach Auslastung halt) dauern würde. Ich bemühe mich dann aber auch, die Aufträge termingerecht (oder wenns geht, frühzeitig) abzuliefern.

An sich kann ich von mir behaupten, dass ich ein recht gutes Arbeitsverhältnis zu meinen Kunden, aber auch zu meinen Mitarbeiter habe. Auch zu ihnen bin ich stets höflich und versuche keinen Druck zu machen.

LIeben Gruß
Anni
 
Hi Anni

Ist einfach manchmal schwer für mich, die E-Mails richtig einzuschätzen, wenn sie so knapp sind. Einige drücken klar aus, dass sie voll zufrieden sind, bei anderen erkennt man erst an einem weiteren Auftrag, dass der vorherige für sie okay war. Wahrscheinlich interpretiere ich zu viel hinein.

Manchmal kommt es zu Missverständnissen. Zum Beispiel werde ich nie mehr vorschlagen, das Manuskript schon früher zu senden, für den Fall, dass ich mit dem vorherigen Auftrag früher fertig werde. Das wird offenbar so gewertet, dass ich ganz sicher früher anfange.

Ich werde jetzt auch von vornherein fragen, bis wann etwas fertig sein muss, denn solche Termine werden sonst erst 1 Tag vor Fristende mitgeteilt. Auch bei der Seitenlänge werden oft unklare Angaben gemacht, sodass es auf einmal doppelt so viel ist. Man könnte schon fast den Verdacht hegen, als ob die Angst besteht, ich würde sonst den Auftrag nicht annehmen. Es kommt auch vor, dass Aufträge eine Woche später geschickt werden und es dann an mir liegt, die verlorene Zeit nachzuholen. Was noch dazu kommt, ist der Umfang der Korrekturen. Solche Dinge lassen sich schwer abschätzen, wenn man den Text nicht vor sich hat. Und dann werden auf einmal noch weitere Texte nachgesendet, die noch mit in die Frist genommen werden sollen.

Nun ja, hab ich auch schon von anderen Lektoren gehört, dass gerade bei den Verlagen ein großer Termindruck herrscht. Und auch, dass Verlage sich mit dem Bezahlen sehr viel Zeit lassen.
 
Hi Lynn,

beim Umfang der Aufträge kannst du deine Kunden ja mal fragen, wieviel Bewegungsfreiheit du nach oben hast. Ich sag das auch meinen Kunden immer, wenn der Umfang nicht klar definiert ist. Zwar wird öfters gesagt: pro Artikel 350-500 Wörter, aber auch da gibt es immer noch etwas Freiraum nach oben. Es gibt nun mal Themen, die man in 500 Wörtern nicht abhandeln kann. Aber meist reicht die Angabe von min-max. Umfang. Da weiß ich, wie weit ich mich ausm Fenster lehnen kann.

LG Anni
 
Hi Anni

Das mit dem Umfang kann ich eben nicht bestimmen, ebenso wenig die Fristen. Da schickt mir z. B. ein Verlag ein Manuskript eine Woche später und verlangt trotzdem von mir, in der vorgegebenen Zeit fertig zu werden mit dem Lektorat. Dessen Korrekturbedarf ist groß und nicht wirklich gut einschätzbar bei den unzähligen Seiten. Dabei geht es auch um die Korrektur des Inhalts nebst Orthographie, Grammatik und Stil. Also sage ich, ich werde mich bemühen, was ich auch tat. Ich schaffte zum vorgegeben Termin nur Dreiviertel, diesen versendete ich denn auch sofort als Teillieferung. Den Rest arbeitete ich gleich weiter ab und sandte ihn ein paar Tage später nach, auch da umfangreiche Korrekturen. Das ist nur ein Beispiel. Jedes Mal gebe ich mein Bestes, arbeite durch, gebe das Wochenende dran, habe kaum Freizeit, um den utopisch vorgegebenen Termin einzuhalten. Und wenn es nicht geht, fühle ich mich schlecht, obwohl die Arbeit absolut in Ordnung ist. Ich fühle mich wie in Kafkas Schloss, ich kann hier gar nicht alles richtig machen, was mich wirklich runterzieht, da ich als pünktlicher, gewissenhafter Mensch alles richtig machen will.
 
Bei einer E-Mail achte ich weniger darauf, ob ich gesiezt werde, sondern vielmehr auf die korrekte Schreibweise. Man kann regelmäßig davon ausgehen, daß orthographisch schwerbehinderte Absender unseriös sind.
 
QUOTE (Lynn @ Sa 10.05.2008, 17:49)Da schickt mir z. B. ein Verlag ein Manuskript eine Woche später und verlangt trotzdem von mir, in der vorgegebenen Zeit fertig zu werden mit dem Lektorat.


In so einem Fall würde ich ganz kühl sagen: Eine Woche später geliefert, dann gibt es auch frühestens eine Woche später das Ergebnis. Denn wenn Du das eine Woche früher fertig machst, dann sagst Du ja auch implizit, daß deine vorherige Zeitschätzung zu großzügig gewesen sei - Du fällst dir also selbst in den Rücken. Das würde mich auch stressen.


QUOTE (Lynn @ Sa 10.05.2008, 17:49)Jedes Mal gebe ich mein Bestes, arbeite durch, gebe das Wochenende dran, habe kaum Freizeit, um den utopisch vorgegebenen Termin einzuhalten. Und wenn es nicht geht, fühle ich mich schlecht, obwohl die Arbeit absolut in Ordnung ist. Ich fühle mich wie in Kafkas Schloss, ich kann hier gar nicht alles richtig machen, was mich wirklich runterzieht, da ich als pünktlicher, gewissenhafter Mensch alles richtig machen will.


Du machst das m.E. nach auch falsch und produzierst dir den Streß damit selbst. Ich muß auch gucken, daß ich regelmäßige Pausen mache - kein Kunde hat etwas davon, wenn ich mich überarbeiten würde. Zum 'richtig Machen' gehört auch, daß man regelmäßig andere Dinge macht. Keine Arbeit und kein Kunde ist es wert, daß man sich deshalb die Gesundheit ruiniert.

Ich habe es auch schon erlebt, daß ein Kunde fragt, könne er das ... haben. Ich schreibe wenig später zurück, brauche noch irgendeine Erläuterung (fachliche Dinge aus dem Geschäft des Kunden, die ich einfach nicht kenne). Dann kommt tagelang nichts, dann fragt der Kunde, warum das denn noch nicht fertig sei ... tja, dafür brauche ich von ihm die Infos.
 
@Lynn
jAuer hat eigentlich alles gesagt, was dazu zu sagen ist. Hast du es denn echt so nötig, dich praktisch unter Wert zu verkaufen? Verzögerte Auftragserteilung bedeutet auch, verzögerte Lieferung. Du kannst nicht nur auf den einen Kunden warten, dass er gnädig genug ist, und dir rechtzeitig den auftrag schickt. Auch in der Zwischenzeit geschehen Dinge, wie z.B. ein neuer Auftrag kommt rein, oder so ähnlich. Wie sagt man so schön? Wer zuerst kommt, malt zuerst.

Auch zum Thema "wochenenden durcharbeiten" etc. Ich bekam von meinem Arzt den Order: Willst du nicht binnen wenigen Monaten mit nem Herzinfarkt auf der Intensiv liegen, dann schalt ma zwei Gänge zurück.

Deine Gesundheit geht immer vor. Ich habe seit dem eine geregelte Arbeitszeit und da fährt die eisenbahn drüber. Mo-Fr. 9-17 Uhr. Danach ist Feierabend. An den Wochenenden und an den Feiertagen gehört meine Zeit meiner Familie. So bleibt auch etwas Zeit für Garten, Hobby, Familie. Seit ich so arbeite, bin ich total ausgeglichen und fühle mich besser, als vorher, wo ich noch 12-14 Stunden am Tag und das 7 Tage die Woche gearbeitet habe. (Verdient hab ich übrigens auch nicht mehr, als jetzt) Auch ist die Konzentration besser.

Überlegs dir gut, ob es dir wert ist, oder ob du dich auf die hinterbeine stellst und sagst: verzögert Auftrag erteilt, bedeutet zwangläufig Verzögerung der Texte, weil du an der Zeit nicht schrauben kannst. Fertig.
 
Hallo zusammen

In besagtem Fall, wo der Auftrag 1 Woche später kam, handelte es sich um den 3. Teilauftrag. Der Auftraggeber sagte vor dem 1. Auftrag, es dürfe nicht erst im Mai fertig sein. Das ist ein weiter Begriff. Als er den 3. Auftrag erst eine Woche später sandte, dachte ich noch, er habe es wohl doch nicht mehr so eilig, da war es Mitte April. Ich fragte noch extra nach. Erst als ich den 3. Auftrag erhielt, stand da die Frist bis zum 28. April, wobei der Umfang der Lieferung die Dicke von zwei Kopierpapierpaketen umfing, also sehr viel. Ich schickte ihm dann Dreiviertel am 28. April und den Rest am 6.Mai. Ich dachte mir noch, er werde am Umfang der Korrekturen sehen, weshalb es länger ging. Seitdem aber keine Rückbestätigungen mehr, obwohl er vorher immer freundlich rückbestätigte. Ist doch klar, dass ich mich nun schlecht fühle und mich frage, weshalb das. Die Frist war bei ihm zudem mit "wenn möglich" abgeschwächt. Auch da habe ich mich immer beeilt. Und wenn ich bedenke, wie günstig er die Arbeit von mir erhält, denke ich wirklich, dass ich mir nichts vorzuwerfen habe. Trotzdem fühle ich mich nicht gut dabei. Nun ja, vielleicht sind das eben die Geschäftsgepflogenheiten und es bedeutet nur: keine Reaktion > alles okay.

Es ist schwierig zu erklären, aber dieses Verhalten kenne ich sonst noch privat. Wenn ich mich da berechtigt über etwas beschwere, wird es so gedreht, dass ich später die Böse bin, weil ich mich mal beschwert habe. Sowas zieht mich dann auch runter, weil ich solche Unstimmigkeiten und Launen nicht vertrage und sehr harmoniebedürftig bin.

Klar kann ich sagen: Verzögerte Sendung, verzögerte Frist, tue ich auch, indem es nun mal länger geht. Aber der Kunde ist dann trotzdem sauer. Das ist für mich einfach keine Art. Da vergeht einem die Lust. Auch der erwähnte andere Auftraggeber setzte mich unter Druck, indem auf einmal alles von mir abhing, ob es korrigiert in den Druck kommt. Da frage ich mich echt, weshalb der Lektoratsauftrag so knapp vor Druck vergeben wurde. Das ist doch keine vernünftige Zeiteinteilung. Man muss doch immer einen Zeitpuffer haben, falls etwas dazwischenkommt. Aber in diesem Fall wäre ich dann die Böse gewesen, wenn ich es nicht geschafft hätte. Aber sowas wird natürlich am Anfang verschwiegen und erst nach ein paar Tagen gesagt. Ich finde es schlichtweg eine Frechheit, mir die Gesamtverantwortung für einen ganzen Druck aufzuerlegen, wo ich doch schließlich nicht mal fest angestellt bin und auch hier günstig lektorierte. Obwohl ich mich auch hier im Recht fühle, muss ich nun damit leben, dass der Auftraggeber sauer ist. Aber vielleicht sind solche Auftraggeber auf alle sauer, welche nicht ganz ihren utopischen Wünschen entsprechen. Oder vielleicht haben sie keine Ahnung, welchen Eindruck sie bei mir hinterlassen haben durch ihre launische Art. In diesem Fall wurde mir noch etwas nachgesendet. Dafür war das Lektorat zu spät, wird dann wohl unkorrigiert in den Druck gehen, woran ich jetzt wohl schuld bin.
 
Einerseits schreibst Du: 'keine Reaktion > alles okay'.

Andererseits nimmst Du einen riesigen Packen Arbeit mit einer Fristsetzung an, ohne zu widersprechen. Also geht der Auftraggeber davon aus, daß 'alles ok sei'.

Sprich: Du hättest diesen riesigen Packen mit der Fristsetzung 28.04 sofort telefonisch ablehnen müssen. Neue Bedingungen von seiten des Auftraggebers - neue Verabredungen. Hält er sich nicht an seine Aussage (liefert eine Woche später), dann hältst Du dich auch nicht an deine (Lieferung bis Ende April).

QUOTE Aber sowas wird natürlich am Anfang verschwiegen und erst nach ein paar Tagen gesagt.


Wo ist das Problem? Dann sagst Du auch erst dann, daß sich die Rücklieferung entsprechend verzögert.

Mir scheint, Du gehst kleinen Konflikten am Anfang aus dem Weg - und damit wachsen die Konflikte zu richtig großen Problemen an. Anstatt daß Du Probleme sofort ansprichst und sie damit klärst, bevor sie groß, Du gesundheitlich angegriffen bist und die Kommunikation zum Kunden belastet ist.


QUOTE weil ich solche Unstimmigkeiten und Launen nicht vertrage und sehr harmoniebedürftig bin


Du hast relativ genau zwei Möglichkeiten: Entweder Du lernst, mit solchen Dingen anders umzugehen - oder Du gehst daran pleite. Zu sagen 'das kann ich nicht' gibt es als Freiberufler nicht - dann nutze die Gelegenheit, um das jetzt zu lernen.


QUOTE Aber vielleicht sind solche Auftraggeber auf alle sauer, welche nicht ganz ihren utopischen Wünschen entsprechen


Dann ist es deine Aufgabe, ihnen ihre Utopien abzugewöhnen. Bei mir rufen auch immer wieder Leute an - und haben aberwitzige Vorstellungen. Ich sage 'kostet soviel', der Interessent sagt, 'da kriege ich es für soviel (für die Hälfte)', sage ich: 'Gut, dann sind Sie da ja wunderbar aufgehoben'. Wenn ich alle als Kunden nehmen würde, die illusorische Vorstellungen haben, dann würde ich auch für nix den ganzen Tag ackern. Und natürlich geht es in jeder Beziehung zu Kunden auch immer darum, den Kunden mit Realitäten zu konfrontieren, die er nicht wissen kann - sonst würde er das ja selbst machen.

Kunden haben auch einen Beratungsbedarf, der durchaus zur Einsicht beim Kunden führen kann: 'Das geht so nicht, wie ich mir das bis jetzt vorgestellt habe'. Und das ist ein kontinuierlicher Prozeß, der nicht mit der ersten Rechnung endet.

PS: Beim Lektorieren sagst Du doch auch, daß das so sei und nicht anders, Du gehst also Konflikten nicht aus dem Weg. Jetzt mußt Du dasselbe bloß noch bei der Kommunikation über das Lektorieren hinkriegen. Also behaupte nicht, Du würdest das nicht können - Du kriegst es beim Lektorieren ja auch schon hin.
 
Hallo Jürgen

Ja, stimmt, so habe ich es noch nicht gesehen. Ich hab zwar geschrieben, dass ich mich zumindest bemühen werde, aber wer nicht genau liest, könnte daraus natürlich auch eine klare Terminzusage interpretieren. Fortan werde ich immer besonders darauf hinweisen und auch fragen, ob ein dringlicher Drucktermin besteht und gegebenenfalls den Auftrag nicht annehmen.

Stimmt, ich bin ein konfliktscheuer Mensch, aber wenn es sein muss, kann ich mich schon durchsetzen. Schon im Marketing-für-Lektorat-Thread wurde mir bewusst, dass ich noch an mir arbeiten muss, dass ich mich als Geschäftsfrau noch zu wenig klar profiliere und durchsetze. Deshalb danke für die wertvollen Hinweise!
 
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