Ich habe gerade einen sehr interessanten Artikel in der NZZ gesehen, den ich mit Euch hier teilen möchte, weil ich ihn sehr interessant finde, hat doch auch
Barack Obama seine Wahl unter anderem dank virtuellen Communities gewonnen.
Wollen wir Freunde sein?QUOTE ("NZZ"
Facebook macht sich auch in der Schweiz immer mehr digitale Freunde
Eine Million Schweizer sind Mitglied bei Facebook. Ein Treffen mit Mark Zuckerberg, Gründer der grössten Social Community des Internets.
Man hat mir geraten, keinen menschlichen Wirbelwind zu erwarten; und wie Mark Zuckerberg den Raum betritt, ist kein Lüftchen zu verspüren. Er ist 24, eher klein, schüchtern; und er geht mit gesenktem Kopf, als trage er eine schwere Last, etwa die, der reichste junge Mann der Welt zu sein. Zuckerberg, der Gründer von Facebook, hat etwas, was die meisten Typen, die so nach Computerfreak aussehen, nicht haben: drei Milliarden Dollar. Er trägt sie allerdings nicht auf sich; die Summe steht vielmehr auf Papier, ist der geschätzte Wert des jungen Mannes.
15 Milliarden Gesamtwert
Errechnet wurde sie, als Microsoft im Oktober 2007 für einen Anteil von 1,6 Prozent an Facebook 240 Millionen Dollar zahlte, was für die Firma einen Gesamtwert von 15 Milliarden Dollar ergab, wovon Zuckerberg 20 Prozent besitzt. Angesichts der Rezession ist Facebook gegenwärtig wohl einiges weniger wert, aber wer weiss? Firmen wie seine haben noch nie eine Rezession erlebt, und nach wie vor bekommt Facebook stündlich Hunderte von neuen Kunden. In der Schweiz übersteigt die Mitgliederzahl in diesen Tagen gerade die Millionengrenze. Facebook beruht auf der Idee des «sharing», was nicht nur teilen, sondern auch «sich jemandem anvertrauen» bedeutet. Und kurz nachdem Zuckerberg den Raum (ein Konferenzzimmer, das vollkommen leer ist bis auf einen Tisch mit Keksen und Tee und einen Fotografen, der seine Geräte bereitstellt) betreten hat, teilt er mir mit, er habe nichts als «sharing» im Kopf gehabt, als er sich 2004 in seiner Studentenbude in Harvard Facebook ausgedacht habe. Er habe weder Geld noch Ruhm im Sinn gehabt, sondern einfach nur mehr über die Studenten seines Jahrgangs wissen wollen. Harvard produzierte damals noch die traditionellen Jahrbücher, doch es dauerte immer lange, bis eines erschien, und auf den neusten Stand bringen konnte man es immer erst im folgenden Jahr. Ausserdem enthielten die Jahrbücher eine entscheidende Information nicht: War die Person, die man attraktiv fand, noch zu haben oder schon vergeben?
Persönliche Information
Zuckerberg fand, online könne er etwas Besseres bieten. Auf einer Website könnten alle persönliche Informationen placieren und immer auf dem neusten Stand halten. Vier Jahre später hat sich Zuckerbergs Vision in fast allen Ländern dieser Welt verwirklicht. Zuckerberg hat Facebook so rasant ausgebaut, dass es zu den am schnellsten wachsenden Websites in der Geschichte des Internets gehört, doch er sagt, der Zweck sei nach wie vor derselbe: «sharing». Tatsächlich benutzt er das Wort so häufig, dass man das Gefühl hat, mit einer Maschine zu sprechen. In einem demnächst erscheinenden Buch über Facebook wird eine andere Theorie aufgestellt: So habe Zuckerberg mit seiner Website vor allem Frauen kennenlernen können. Zuckerberg befindet sich bei ExCeL, einem Konferenzzentrum in den Londoner Docklands. Er trägt, was er immer trägt: Jeans, T-Shirt und eine dunkle Northface-Fleecejacke. Wie Steve Jobs mit seinen Jeans und dem schwarzen Rollkragenpulli hat auch Zuckerberg seine Uniform, und die ist genau diejenige, die er an dem Tag trug, als er reich zu werden begann. Es gibt eine Foto von ihm, die vor über einem Jahr im Facebook-Hauptquartier in Palo Alto, Kalifornien, aufgenommen wurde, und da trägt er die genau gleichen Kleider wie heute. Mitglied bei Facebook zu werden, kostet Sie nichts ausser den grössten Teil Ihres wach verbrachten Lebens. Sowie Sie sich eingetragen und eine Foto von sich hochgeladen haben, scheint es, als seien Sie mit der ganzen Welt verbunden. Vielleicht suchen Sie zunächst nach all den Leuten in Ihrem E-Mail-Adressbuch oder allen Arbeitskollegen. Ein Klick. Entdecken Sie jemanden, den Sie kennen, können Sie ihn fragen, ob Sie sein Freund werden dürfen; dann sehen Sie all seine Fotos, seine Freundinnen und Freunde, und bald schon arrangieren Sie vielleicht Veranstaltungen für Gleichgesinnte oder schaffen Gruppen Gleichgesinnter, schicken jemandem eine digitale Umarmung oder erzählen den anderen einfach nur, was Sie so tun.
«Simon isst gerade Torte», könnte eine Botschaft lauten, und plötzlich würden Sie von Ihrer Verwandten in Ontario hören, auch sie esse gerade Torte, solchen Unsinn kann man einander mitteilen. Wenn Sie sich am nächsten Tag wieder einloggen, wird ein Hersteller von Tortenformen Ihnen etwas verkaufen wollen. Das ist die neuste Form der Werbung. Damit verdient die Firma Facebook ihr Geld. Seiner Liebe zu weltweitem «sharing» zum Trotz ist Zuckerberg wenig geneigt, Informationen über sich preiszugeben. Seine Facebook-Seite teilt uns mit, er sei von seiner Europa-Tournee ein bisschen müde. Das ist ausgesprochen zahm, verglichen mit Dingen wie «Letzte Nacht hatte ich den besten Sex meines Lebens», den andere zum Besten geben. Man hat mich davor gewarnt, ihn zu fragen, wie sein Leben sich verändert habe, seit er auf dem Papier Milliardär geworden sei, deshalb frage ich ihn, wie sein Leben sich verändert habe, seit Facebook abgehoben hat. Seine Antwort ist von meisterhafter Ödheit: «Jetzt gibt es eine Menge Konferenzen, mit Leuten reden, statt Codes entwickeln.»
Begeisterter Fechter
Was bekannt ist: Zuckerberg wurde in einem reichen Vorort von New York geboren, wo sein Vater als Zahnarzt arbeitete. Der Sohn entwickelte schon früh Talent im Umgang mit Computern, weshalb er bereits als Schüler Angebote von Microsoft und AOL erhielt. Auf der Harvard-Website wurde aus Zuckerbergs Bewerbung für einen Studienplatz zitiert, in der er schreibt, er sei begeisterter Fechter. «Ich kenne kaum etwas Erfreulicheres als eine gute Fechtrunde.» Im selben Artikel stand auch, er sei gut in Latein und Griechisch und habe einmal eine Computerversion von «Risk» konstruiert, einem Spiel, in dem es darum geht, die Welt zu beherrschen. Ausserdem stand da, er habe einen «trockenen Humor» und habe eine Vorliebe für asiatische Frauen. Viele Informationen über Zuckerberg stammen aus Gerichtsakten aus der Zeit seines Rechtsstreites mit den Begründern einer Community-Website die ConnectU heisst und ebenfalls in Harvard entstand. Tatsächlich begann ConnectU ungefähr zu derselben Zeit wie Facebook. Die ConnectU-Leute sagen, Zuckerberg habe ihre Idee geklaut; er wiederum erhob Gegenklage und sagte, die ConnectU-Leute hätten später einen grossen Teil der E-Mail-Adressen von Facebook-Benutzern geklaut. Erste Klageschriften wurden 2004 eingereicht, ein paar Monate nachdem Facebook abgehoben hatte; Anfang dieses Jahres kam es zu einem Vergleich ungenannten Inhalts.
Bevor ich Zuckerberg bei ExCeL treffe, besuche ich Blake Chandlee, den Verkaufsleiter des britischen Facebook-Hauptquartiers am Londoner Soho Square. Es ist ein Grossraumbüro, in dem eine Gruppe junger Leute dafür sorgt, dass die Site gut läuft, und dann Werbung dafür zu akquirieren versucht. Der Silicon-Valley-Touch ist spürbar: legere Kleidung und da und dort Tafeln, auf die die Mitarbeitenden inspirierende Dinge schreiben sollen. Chandlee ist 41, ein offener Mensch. Er sagte, «sharing» sei ihm ein Anliegen, doch gleichzeitig wurde mir klargemacht, die Facebook-Kader wollten nicht, dass ich ihn zitiere. Er sagte mir, technisch sei Facebook nichts Besonderes. Über Zuckerberg sagt er, sein Ziel sei, das Unternehmen immer weiter wachsen zu lassen, und auch wenn er keine grosse Persönlichkeit sei, so sei er dafür ein tiefschürfender Denker. Er komme ihm vor wie ein junger Bill Gates. Chandlee führte mir auf seinem Computer Diagramme vor, darunter eines, das zeigte, dass die am schnellsten wachsende Gruppe der Facebook-Benutzer diejenige über 25 sei, und eines über den Zusammenhang zwischen Partys und dem Kater am nächsten Tag. Er zeigte mir auch die Grundzüge davon, wie es mit der Werbung auf Facebook läuft: Konzerne können Facebook-Benutzer erreichen, indem sie pro anvisierte Person etwas mehr als einen Franken zahlen. Die Vorführung war beeindruckend und machte deutlich, wie viel Informationen Facebook zur Verfügung stehen durch seine 120 Millionen Benutzer. So weiss Facebook, wie viele Benutzer sagen, sie hätten am Morgen Kellogg's-Frühstücksflocken gegessen. Es weiss, wie viele sagen, sie hätten gerade einen schlechten Tag, und wie viele kleingewachsene Rothaarige tatsächlich schüchtern sind. Wie man 1945 sagte: Hoffentlich wird es ausschliesslich für friedliche Zwecke benutzt. Ein paar Tage, nachdem ich Chandlee getroffen habe, frage ich Mark Zuckerberg nach der Verantwortung von Facebook. Noch nie hatte ein so junger Mensch Zugang zu so vielen persönlichen Informationen. Daneben sind die Daten auf den Disketten, die das britische Verteidigungsministerium und der Gesundheitsdienst vor kurzem verloren haben, lächerlicher Kleinkram.
Schlechte Presse
Zuckerberg antwortet, die Grundlage des Erfolgs seines Unternehmens sei, dass die Benutzer der Sicherheitssoftware von Facebook vertrauten. Nach schlechter Presse hat die Site die Sicherheitskontrollen massiv verstärkt, um zu gewährleisten, dass persönliche Informationen nur von jenen eingesehen werden können, die der Benutzer persönlich dazu berechtigt hat. Anonym gibt Facebook unsere Informationen aber noch so gern weiter, besonders an Inserenten und möglicherweise auch an politische Organisationen. Die Site ist die grösste Testgruppe der Welt. «Wir versuchen, eine neutrale Plattform zu haben», sagt Zuckerberg: «Jeder hat eine Stimme, und die Leute können sich um alles herum organisieren, was sie wollen.»
Die Community reguliert sich also selbst?
«Es sind viele Communitys. Es war nie die Absicht, dass Facebook eine neue Community sein soll, sondern dass es all die verschiedenen Communitys erfasst, die es bereits auf der Welt gibt.» Manche von diesen sind Facebook allerdings nicht genehm, zum Beispiel die Community der Stillenden, welche gegen das Zartgefühl des Unternehmens verstiess, weil sie auf ihrer Site Bilder stillender Mütter placierte, deren Blusen zu weit aufgeknöpft waren. Was wohl nicht zu verhindern ist: Hat eine Institution eine gewisse Grösse erreicht, gibt es unweigerlich verrückte Schlagzeilen. Vor ein paar Wochen hatten wir zum Beispiel den «Facebook-Mord». Ein Mann aus dem Süden Londons wurde wegen Mordes an seiner Frau verurteilt, nachdem diese ihn aus dem Haus geworfen und auf Facebook ihren Zivilstand sofort in «ledig» geändert hatte. Vor seinem Auftritt an der Computerkonferenz zieht sich Zuckerberg zurück, um ein Nickerchen zu machen. Dann ist Zuckerberg dran, und der kleine junge Mann mit der Fleecejacke tritt auf das Podium, wo er mit grossem Applaus begrüsst wird. Man stellt ihm die üblichen Fragen. Mit jeder Antwort kommt dieselbe Botschaft: Alles ist darauf ausgerichtet, uns beim «sharing» zu helfen. Viele im Publikum nicken beifällig, denn dagegen ist nun wirklich nichts einzuwenden, oder? Je mehr Informationen weitergegeben werden, desto mehr erfahren wir; je mehr wir erfahren, desto mehr wissen wir; und je mehr wir wissen, desto glücklicher werden wir. Dabei wird auch Facebook glücklicher und immer reicher; das Gleiche gilt für jene, die bei Facebook werben; und am Schluss wird es wahrscheinlich kaum noch möglich sein, «sharing» von «Geld ausgeben» zu unterscheiden und «Community» von «Kommerz».
Mitglied bei Facebook zu werden, kostet Sie nichts ausser den grössten Teil Ihres wachen Lebens.
Facebook weiss, wie viele sagen, sie hätten einen schlechten Tag, und wie viele Rothaarige schüchtern sind.
Gekonntes Rollenspiel Tipps für «social networking»
Xing, Netlog, Studivz, Myspace: Neben Facebook gibt es viele weitere Angebote zur Netzwerk-Pflege. Datenschutzexperten raten, nur für die Plattform relevante Informationen preiszugeben. Das gilt vor allem für Geschäfts-Plattformen wie Xing: Dort seien persönliche Daten tabu. Weiter wird empfohlen, nur einer kleinen Anzahl «Freunde» Einsicht in alle Daten zu gewähren. Zudem sollte man sich bewusst sein, dass E-Mail-Adressen, die man in einem Forum verwendet hat, durch das Anmelden bei einem «social network» einer Person zugeschrieben werden können. Eltern wird geraten, das Profil der Kinder mit diesen zusammen anzuschauen. Problematisch sind hier aufreizende Fotos und die Bekanntgabe von Adresse, MSN-Kontakten und Telefonnummern. Die persönlichen Daten werden vor allem dann heikel, wenn die Kinder eine grosse Anzahl «Freunde» haben, die Einsicht in alle Daten erhalten. Eltern sollten fragen, ob ihre Kinder diese persönlich kennen. Fotos sollten nur in Passbildgrösse hochgeladen werden, so eignen sie sich schlecht zum Abändern und Verbreiten. (mid.) Weitere Infos unter: www.klicksafe.de
Aus dem Englischen übersetzt von Thomas Bodmer.
Künftiger wirtschaftlicher Erfolg wird sich immer mehr daran messen, wie soziale Netzwerke einsetzt werden, denke ich.